(Konzertkritik zu unserem Auftritt in Illingen; SZ-Lokalteil Neunkirchen, Montag, 07. Februar 2011, Seite C6)
Jazz Train brachte Charlie Chaplin und Buster Keaton zu Swingen
Illingen. Lang anhaltender Beifall im voll besetzten großen Saal der Illinger Illipse: 24 Jungjazzer der Landes-Schüler-Bigband des Saarlandes hatten die Zuhörer voll auf ihrer Seite; eine völlig relaxte und bes(ch)wingte Stimmung herrschte im Saal, „man“ wollte die Musiker nach dem langen Abend gar nicht gehen lassen und das gerade Erlebte anhalten. Was war geschehen? Der Reihe nach:
Zum Intro von Frank Fosters „Shiny Stockings“ wurden die Musiker, nacheinander die Bühne betretend, vorgestellt. Dann swingte das komplette Orchester gleich vom ersten Takt an, als hätte es nie anderes getan. Im ersten Teil des Konzertes präsentierten sie unter der Leitung von Matthias Ernst und Ernst Urmetzer hauptsächlich die Titel der neuen CD „Jazz Train spielt Songs von Cole Porter“. Matthias Ernst hat eigens für die Band bekannte Cole Porter-Titel wie “Get out of Town”, “My Heart Belongs to Daddy” oder “Love For Sale”, aber auch unbekanntere Titel wie “Give him the Oohlala” oder “What is this thing called Love?” arrangiert, zeitlos schön, swingend und packend zugleich. Mit sattem Sound und einer ausgewogenen Homogenität in den Sektionen bot Jazz Train großorchestralen Jazz in bester Manier.
Die Rhythmusgruppe agierte sensibel und die Bläser arbeiteten druckvoll. Selbstbewusst, ausdrucksstark und hoch inspiriert interpretierte die Sängerin Laura Borchers die Songs, mal lyrisch bis cool, mal energisch zupackend, mal lasziv, mal ausgelassen trällernd. Gute Soli würzten die Storys: überzeugend der Trompeter Tim Hoff, der Posaunist Peter Hedrich, der Saxophonist Philipp Molz, die Gitarristen Paul Baureis und Rick-Henry Ginkel. Vor allem letzterer besticht durch glasklaren Sound und perfektes Timing. Mit einer lockeren und zugleich informativen Moderation – Matthias Ernst bisweilen mit Kabarett-Qualität – schufen die beiden Bandleader eine höchst unterhaltsame Atmosphäre; der Draht zum Publikum zündete den berühmten Funken.
Ungewöhnliches für das Publikum und Neuland für die Band im zweiten Teil des Konzertes: Jazz Train spielte zu zwei frühen Stummfilmen die Filmmusik: “One A.M.” von und mit Charlie Chaplin und „Neighbours“ mit Buster Keaton in der Hauptrolle. Mit Blick zur Leinwand und mit dem Rücken zum Publikum sitzend, begleiteten die Musiker die Bildsequenzen teils mit festgelegten Arrangements, teils mit offenen Improvisationen, mal atmosphärisch untermalend, mal kommentierend. Die Besetzung wechselte dabei von kleiner Combo bis zur kompletten Big Band. Geschickt wurden verschiedene Kompositionstechniken eingesetzt, z.B. Mickeymousing: die Musik folgt dem Bildbewegung auf Schritt und Tritt oder Mood-Technik: die Musik folgt den Stimmungswechseln oder Underscoring: die Bildfolge wird durch einen Klangteppich untermalt. Erstaunlich präzise setzten die Wechsel ein, meist gesteuert durch den souverän agierenden Schlagzeuger Kevin Naßhan. Die Bildsequenzen begannen akustisch zu leben, das Publikum ging mit, großer Applaus zum Schluss, Erleichterung und Zufriedenheit bei den Musikern: das Experiment hat funktioniert, eine geglückte Generalprobe für den großen Auftritt in England: Für Ende Januar 2011 wurde JAZZ TRAIN mit dieser Filmmusik zum Internationalen Stummfilmfestival in Bristol eingeladen, eine schöne Anerkennung für die Arbeit der Talentschmiede des saarländischen Jazz.
Statt einer Zugabe wurden acht Musiker verabschiedet, die das Projekt jetzt verlassen und neuen Musikern Platz machen.